Straßen, Pendler, Abenteuer - Teil 1
Datenschutz gegen Bürgerinteressen
von Werner Krone
Wer wissen will, wie sich Daten schützen lassen, muss nach Darmstadt kommen. Dort sind sogar Verkehrsmengen hochgeheim. Dies, obwohl hiermit ein so kostspieliges Objekt wie die Nordostumgehung begründet wird. Oder vielleicht deswegen?
Die CDU wollte mit einer Großen Anfrage von Stadtbaurat Wenzel wissen, mit welchen Verkehrzuwächsen er in 5 und in 10 Jahren rechne. Wenzels Antwort war der Hinweis auf eine Prognose des Bundesverkehrsministeriums. Hiernach werden für Hessen in den Jahren 2004 bis 2025 mit Zuwächsen von 13,4% beim motorisierten Personenverkehr und 0,2% für Busse und Bahnen gerechnet. Die für den öffentlichen Verkehr zuständige DaDiNa rückte auf mehrfaches Befragen immerhin eine Zahl heraus: Seit Bestehen dieser Gesellschaft 1998 gab es eine jährliche Steigerung von 3,5%. Der RMV ist freigebiger und bietet im Internet Auskunft:
Also auch hier Zahlen weit jenseits von 0,2%!
Wer nun wissen will, wie sich der motorisierte Verkehr entwickelt hat, ist auf die Verkehrsmengenkarten der Hessischen Straßenverwaltung angewiesen. Diese werden alle 5 Jahre herausgegeben, zuletzt 2005. Immerhin lässt sich ihnen entnehmen, dass der täglich von und nach Darmstadt rollende Verkehr in den 5 Jahren nicht mehr gestiegen war, sogar abgenommen hatte:
Die Statistik bietet hier nur eine Erklärung: in den 15 Jahren zwischen 1991 und 2005 hat Darmstadt 4500 Arbeitsplätze verloren!
Gleichzeitig nahm die Zahl der Pendler zu: in 10 Jahren die Einpendler nach Darmstadt um 1550, die Auspendler sogar um 5200 (jeweils 1997 bis 2007). Eine aktuelle Fortsetzung dieses Trends wird die ECHO-Druckerei bieten. Das Medienhaus Südhessen will mit dem Verlagshaus Rhein-Main (u.a. "Wiesbadener Kurier") eine gemeinsame Druckerei in Rüsselsheim betreiben. In Darmstadt soll 143, in Mainz 350 Druckern gekündigt werden. Die neue Druckerei braucht nur noch 200 Mitarbeiter. Fazit: Die Zahl der Pendler wird zu-, die Zahl der zur Arbeitsstätte Strebenden aber um fast 300 abnehmen, und wer weiß wie lange.
Wenn vor allem die Auspendler zunehmen, dies aber nicht mit einer Zunahme des Pkw-Verkehrs verbunden ist, gibt es nur eine Erklärung: es wird zunehmend der öffentliche Nahverkehr gewählt. Dies zu erkennen, täte der regionalen Politik gut. Wer die Trends erkennt, wird nicht mehr Straßen fordern, sondern mehr Nahverkehr. Dann wäre die Industrie- und Handelskammer zum Beispiel gut beraten, Darmstadt an den schlecht zu erreichenden Flughafen mit einem über die geplante Schnellstrecke sausenden Regio-Sprinter anzubinden. Dann wäre die Stadt Darmstadt gut beraten, das bisherige Versteckspiel mit Verkehrsdaten zu lassen.
Denn wenn folgende Fragen beantwortet würden, könnte dies die geplante Nordostumgehung in Frage stellen:
- Welche täglichen Verkehrsmengen werden aktuell an der B 26 "Hanauer Straße" östlich der Einmündung der Heinrichstraße gezählt?
Die von der Hessischen Straßenverwaltung alle fünf Jahre erhobenen Verkehrsdaten lassen den Schluss zu, dass der motorisierte Individualverkehr zurückgeht. Da zuletzt 2005 gezählt wurde, muss für eine seriöse Planung dieser Trend untersucht werden. Hierzu dürfte es sich wohl lohnen, kurzfristig die ohnehin vorhandene automatische Zählstelle zu aktivieren. Diese wird von der Hessischen Verkehrszentrale betrieben, welche um Amtshilfe zu bitten wäre.
- Welche Antworten gaben die bei einer Erhebung im Mai 2006 befragten Lkw-Fahrer?
Der Stadtbaurat hat Anfragen innerhalb des Beirates als auch von Stadtverordneten nur ausweichend beantwortet. Es lässt sich eben von einem Lkw, der vom "Umland Darmstadts" ins "Ausland" fährt, nicht sagen, ob die Nordostumgehung nicht doch ein weiter Umweg wäre.
Immerhin begründet lediglich diese Befragung, dass 70% der Darmstadt in Ost-West-Richtung durchfahrenden Lkw potentiell die geplante Nordost-Umgehung nähmen. Beim Auswerten der Befragung wurden die Stadt durchfahrende Lkw zu 90 % der Nordostumgehung angerechnet, wenn sie Ziel oder Herkunft außerhalb der Region hatten! Da aber ist nicht ohne weiteres plausibel. Für die Befragung sind gerade einmal 304 Datensätze der Fahrerbefragung durchzusehen.
Da es dem Magistrat um eine ausgewogene Darstellung aller Informationen gehen müsste, würde eine rechtzeitige Beantwortung vor dem Bürgerentscheid der Glaubwürdigkeit dienen.
Werner Krone ist Bauingenieur und Experte für Nahverkehrsplanung