Noch 4 Tage bis zum Bürgerentscheid

03.06.2009

Die Bürgerinitiative ONO! (Darmstadt Ohne NordOst-„Umgebung"!) hat gestern beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel beantragt, der Stadt Darmstadt zu untersagen, unter Verwendung falscher Behauptungen weiterhin für den Bürgerentscheid zu werben.

Zwar hatte das Verwaltungsgericht Darmstadt am 14.5.09 (Geschäftszeichen 3 L 554/09.DA) entschieden, dass die Stadt Darmstadt in Ihrer Informationskampagne nicht zur Neutralität verpflichtet ist und einseitig für ihr Bauprojekt werben darf, aber betont, dass die Stadt sachlich und wahrheitsgemäß informieren muss.

Am vergangenen Wochenende nun ließ die Stadt Darmstadt in jeden Haushalt erneut eine mehrseitige Informationsschrift verteilen, in der die Kosten nicht nur missverständlich, sondern sogar fehlerhaft dargestellt wurden.

Begründung des Antrags an das Gerichts: die Formulierung „Land- und Bund zahlen 113,4 Millionen Euro für den Bau, die Stadt beteiligt sich mit 40,7 Millionen Euro" ist missverständlich, da diese Formulierung lediglich Gesamtkosten in Höhe von 113,4 Millionen Euro suggeriert, von denen die Stadt 40,7 Millionen Euro trägt. Tatsächlich ist es jedoch so, dass die Stadt Darmstadt nach eigenen Angaben in und auf den Informationsmittel selbst mindestens 40,7 Millionen Euro zusätzlich zu den 113,4 Millionen Euro zahlt. Indes ist die Angabe des Kostenanteils der Stadt Darmstadt mit 40,7 Millionen Euro selbst fehlerhaft. Diese Zahl stammt aus der Magistratsvorlage aus dem Jahr 2007, der Vorlage Nummer 2007/0427. Nach dieser Vorlage beträgt der Anteil der Stadt Darmstadt tatsächlich ca. 57 Millionen Euro und es werden ca. 16 Millionen Euro Fördermittel bei maximaler Förderung nach dem GFVG abgezogen. Die Vorlage enthält außerdem den ausdrücklichen Hinweis, dass sich die Förderbedingungen ändern werden und die Stadt Darmstadt eher weniger Zuschüsse bekommen werde.

Dabei geht es um eine vierspurige Brücke mit langen langsam steigenden Rampen über eine der Hauptverkehrsstraßen Darmstadts, die ihrerseits dort sechsspurig ist und auf der anderen Seite ein zweigleisige Straßenbahn auf eigenem Gleiskörper verkehrt. Die Kosten für diesen sogenannten Overfly werden in der Vorlage mit 17,9 Millionen Euro angegeben. In der Vorlage wird ausdrücklich angegeben, was in diesen Kosten nicht enthalten ist:

  • Grunderwerb, Ersatz- und Kompensationsmaßnahmen
  • Altlastenbeseitigung 
  • Verlegung von Fähr- und Entsorgungsleistungen 
  • Umbau Straßenbeleuchtung 
  • Baunebenkosten

Unter Berücksichtigung, dass die Kostenschätzung auf den Kostenindex von 2004 beruhen und allein die Kostensteigerung von 2004 bis 2009 bei mehr als 20 % liegen und bis zur geplanten Bauzeit in 2011 noch weiter steigen werden, ist aufgrund dieser fehlenden Kostenteile und der veralteten Kostenbasis (2004) mindestens mit einer Verdoppelung dieser Kosten der veranschlagten Kosten für den Overfly von 17,9 Mio. € auf insgesamt 36 Millionen Euro zu rechnen. Der städtische Anteil in Höhe von 9,2 Millionen Euro für den Overfly und anschließende Straßenabschnitte (9,2 Mio. € = 40 % von 23,0 Mio.€ bei 60 % Förderung GFVG) wird insoweit um mindestens 50 % höher als angegeben bei ca. 14,4 Mio. € (14,4 Mio. € = 40 % von 36,0 Mio.€ bei 60 % Förderung GFVG) liegen. Diese erwarteten Mehrkosten für den Abschnitt Nordwest, Ausbau Carl-Schenk-Ring/ Martin-Luther-King-Ring betragen bereits 5,2 Mio. €. Wie hoch die zu erwartenden Mehrkosten tatsächlich sein werden, kann dahingestellt bleiben, da die Stadt durch die Angabe von städtischen Kosten in Höhe von 40,7 Mio. € den falschen Eindruck erweckt, dass überhaupt keine Mehrkosten entsteht und eine Begrenzung der städtischen Kosten auf diesen Betrag nach gegenwärtigem Stand sichergestellt sei.

Bei der Angabe von Gesamtkosten für die Stadt in Höhe von 40,7 Millionen Euro liegt offenkundig ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot vor. Sowohl in der von der Stadt vorgelegten Informationszeitung „TRANSPARENT" als auch auf den Litfaßsäulen wird ebenso wie in dem Brief an die Bürgerinnen und Bürger in Darmstadt West wie auch auf dem Internetauftritt angegeben, dass die städtischen Kosten sich auf (maximal) 40,7 Millionen Euro belaufen. Aus der Magistratsvorlage 2007/0055 ergibt sich jedoch, dass dies nach den eigenen Berechnungen der Stadt selbst nicht stimmt, vielmehr von vornherein bestimmte Kosten für den Overfly in der Kostenschätzung unberücksichtigt blieben und zudem mit weiteren Kostensteigerungen und einer geringeren Förderung nach dem GFVG zu rechnen ist.

Ebenso liegt mit der Titelgeschichte („Fest hält Marina ihrer vierjährige Tochter Julia an der Hand, als sie ihre Wohnung im Rhönring verlassen") ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot vor. Durch die erfundenen Geschichten in der Darstellung wird der Eindruck erweckt, dass diese Frau und Tochter tatsächlich im Rhönring wohnen und für die Nordostumgehung sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es handelt sich um die Aufnahme einer Fotoagentur, welches eine Frau und ein Kind vor dem Hintergrund von St. Petersburg zeigt. Das Foto wurde in keinerlei Zusammenhang mit der Nordostumgehung aufgenommen.

ONO! hatte in den zurückliegenden Wochen bei Ihren Info-Veranstaltungen und -ständen immer großen Wert auf Sachlichkeit gelegt – diese Haltung erwartet die Bürgerinitiative auch von der Stadt Darmstadt und hat deshalb die gerichtliche Überprüfung der städtischen Werbekampagne beantragt.

Will die Stadt mit ihren zu niedrig publizierten Kosten der Bürgerschaft kurz vor dem Bürgerentscheid Sand in die Augen streuen …. ?